Magier und Schamanen |
Marius E. Hannig
Wenn ich im Folgenden von Magiern, Schamanen oder Hexen spreche, meine ich natürlich beide Geschlechter, denn es gibt genauso viele Frauen wie Männer, die die Kunst der Magie praktizieren. Darüber hinaus verwende ich den Begriff Magier nicht nur für beide Geschlechter, sondern ich setze ihn mit Schamanen und Hexen gleich, auch wenn offensichtliche Unterschiede zwischen ihnen bestehen. Ein wesentliches gemeinsames Merkmal ist jedoch die Entwicklung außergewöhnlicher Fähigkeiten und dies ist ein ausgesprochen magischer Akt. Daher bezieht sich der hier verwendete Begriff Magier in erster Linie auf dieses magische Wirken. Das Hauptbestreben eines „echten" Magiers besteht zumeist darin, sich aus seinen anerlernten und doktrinierten Verhaftungen zu lösen und die Essenz seines echten Wesens heraus zu kristallisieren. Dies ist meist ein jahrzehntelanger Individuationsprozess, in dem der Magier, wie die Schichten einer Zwiebel, eine Schicht nach der anderen abwirft um sich seinem wahren Kern anzunähern. Ein wesentliches Element dabei ist, die eigenen Illusionen und die Illusion der Welt zu durchschauen. Der Magier weiß um die Täuschungen seines eigenen Egos. Daher befindet er sich in einem ständigen Kampf, um nicht den Täuschungen seines Egos und den Bequemlichkeiten seines Eigendünkels zu erliegen. Er entwickelt dabei eine enorme Aufmerksamkeit, die ihn zu außergewöhnlichen Handlungen befähigt. Magier, Schamanen oder Hexen sind in der Lage zwischen verschiedenen Zuständen beliebig zu wechseln. Dies erfordert eine enorme psychische Kraft. Diese Kraft kann man als „Mana" bezeichnen. Durch bestimmte Handlungen des Magiers wird das Mana (magische Kraft bzw. Macht) aufgebaut: z.B. durch das Erschaffen für den Magier besonders nützlicher Lebensbedingungen, dem Einsparen besonders Energieverzehrender Handlungen, das Ausrichten der Aufmerksamkeit auf Energiebringende Handlungen, dem Auslöschen des persönlichen Eigendünkels, dem Auflösen einflussnehmender äußerer Faktoren oder das Durchführen von Handlungen in erhöhter Aufmerksamkeit, um einige wenige davon zu nennen.
Die Trennung zwischen diesseitiger und jenseitiger Welt verliert für den Magier an Bedeutung, da für ihn durch sein makelloses Tun jede Handlung eine magische Handlung ist. Somit nimmt er den Unterschied nur in der Qualität des jeweiligen Bewusstseinszustandes wahr. So kommt es, dass seit alters her der Magier als Reisender zwischen den Welten bekannt ist. Seit Generationen ist bekannt, dass viele Hexen und Schamanen überall auf der Welt durch ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten auffallen und daraus Begriffe entstanden sind wie Hagazussa (Hexe) = Zaunreiterin zwischen den Welten, oder Schamane = Vermittler zwischen der spirituellen und irdischen Welt. Die Konfrontation mit der Komplexität der für den Magier existierenden verschiedenen Wirklichkeiten und Realitäten beinhaltet auch eine ausführliche Auseinandersetzung mit seiner eigenen Person. Dazu zählen die Art seiner Prägungen und Gewohnheiten, seiner daraus entspringenden Vorlieben und Abneigungen sowie seiner Stärken und Schwächen ebenso wie auch die Auseinandersetzung mit seinen spirituellen Fähigkeiten. Der Magier erkennt seine eigenen Strukturen. Er kann sich mit Hilfe eines übergeordneten Bewusstseins, auch anderes oder magisches Selbst genannt, aus der alltäglichen Wahrnehmung herauslösen. Somit ist er in der Lage energetische und magische Entscheidungen zu treffen die außerhalb seiner Gewohnheiten und Konditionierungen liegen. Dies befähigt ihn zu außergewöhnlichen Handlungen und Ergebnissen, was im Allgemeinen als Zauberei bezeichnet wird. Doch um zaubern zu können, bedarf es einer disziplinierten und konsequenten Beharrlichkeit im Umgang mit dem eigenen Selbst des Magiers. Dazu zählt vor allem die ständige Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben um energetische und psychische Verflechtungen und die daraus entstehenden Verhaltensweisen aufzulösen und die darin festgebundenen Energien zu befreien. Diese befreite Energie nutzt der Magier zur Vergrößerung seiner magischen Kraft. Diese Kraft hilft ihm beispielweise bei der Entfaltung von hellseherischen Begabungen, bei der Vertiefung von Trancezuständen, bei dem Durchsetzen magischer Absichten oder auch bei der Stärkung des Selbst in schwierigen Veränderungsprozessen. Jedoch ist es nicht sehr einfach diese Energien zu befreien, da die Identifikation mit dem eigenen Ich auch die Grundlage für das eigene Ego bildet. Und das Ego boykottiert in der Regel jede Form der Veränderung aus Angst die Kontrolle zu verlieren. Deshalb ist die Auseinandersetzung und Aufhebung des persönlichen Eigendünkels ein wesentlicher Bestandteil zur erfolgreichen Rekapitulation des eigenen Lebens und damit zur Befreiung gebundener Energien. Ein Magier trifft daher seine Entscheidungen niemals aus dem Ego heraus, sondern entscheidet immer mit dem Herzen. Aus diesem Grund bezeichnen sich Schamanen oder Magier auch als Krieger. Gemeint ist eine geistige Auseinandersetzung mit den Täuschungen des eigenen Egos. Dies bedeutet am Anfang der Entwicklung bzw. Ausbildung des Magiers ein ständiger Kampf mit seinen eigenen Konditionierungen und Verhaltensmustern. Die Auflösung des Eigendünkels ist wichtig, denn wenn Beweggründe die aus dem Ego entspringen wie beispielsweise Machtsucht, Schuld oder Gier die Leitmotive für magische Handlungen sind, kann niemals eine tatsächliche Befreiung von energetischen Beeinflussungen möglich sein. Das Ego schränkt die persönliche Entwicklung ein und macht blind. Das Herz öffnet den Blick des Magiers und befähigt ihn über seine persönlichen und biographischen Begrenzungen hinaus zu sehen. Dadurch kann er andere Wirklichkeiten erkennen und sein magisches Selbst entfalten und stärken. Im Allgemeinen führt dies zu einem Zustand der inneren Wachheit die alle Lebensbereiche durchdringt. Gleichzeitig entsteht damit auch eine Klarheit im Blick des Magiers welche seine makellose Lebensführung unterstützt. Damit der Magier seine Klarheit behält, ist es sehr wichtig, Handlungen der Kraft auszuführen. Damit sind Handlungen gemeint, die das Energieniveau des Magiers halten bzw. verstärken. Es gehört zu seinem täglichen Tun, mit bestimmten Techniken zu arbeiten, die je nach Ausrichtung des Praktizierenden unterschiedliche Energiequalitäten hervorbringen. So kann beispielsweise ein Magier bzw. Schamane seine Aufmerksamkeit darauf ausrichten einen bestimmten Wachheitsgrad zu erreichen, der es ihm ermöglicht für einige Tage ganz und gar auf Schlaf zu verzichten, um Rituale durchzuführen oder eine Pilgerreise zu unternehmen. Dabei ist es ihm trotz des Schlafentzuges möglich, tagsüber anstrengende Wanderungen in den Bergen zu unternehmen und in der Nacht zu singen und Rituale zu vollziehen, ohne auch nur annähernd Ermüdungserscheinungen zu haben. Möglich ist das, durch eine Umpolung der eigenen Energiemuster. Der Magier stellt dabei sein gewöhnliches Tun ein und kehrt es zu einem sogenannten Nicht-Tun um. Man tut genau das, was man sonst nicht tut. In diesem Zustand stellt er alle Handlungen, die mit der Beschreibung unserer gewöhnlichen Welt zu tun haben ein und tritt in das Bewusstsein des anderen bzw. magischen Selbst. Alle seine ausgeführten Handlungen entspringen dann aus diesem anderen magischen Selbst bzw. aus der anderen Wirklichkeit, in der er sich gerade befindet. Auch wenn seine Handlungen von einem Beobachter betrachtet als natürlich oder unauffällig angesehen werden könnten, wie beispielsweise das Reden oder Singen, so entspringt der Antrieb des Magiers aus diesem anderen Bewusstsein. Dieses Nicht-Tun ist eine weitere wesentliche Technik um beispielsweise die aus der Rekapitulation des eigenen Lebens gewonnene Energie zu nutzen um die Wahrnehmungsfähigkeit zu vergrößern. Die Rekapitulation ist die Aufarbeitung sämtlicher energetischer Verflechtungen die der Magier im Laufe seines Lebens eingegangen ist. Dies schließt vor allem sämtliche Beziehungen zu allen Menschen ein, mit denen der Magier jemals in Verbindung stand oder noch immer steht. Die Rekapitulation ist ein magischer Akt, der auf unterschiedliche Weise stattfinden kann. Das Hauptbestreben liegt darin, Energie, die von anderen Menschen in den Magier hineingepflanzt wurde abzustoßen und die Energie, die der Magier selbst in andere Menschen hineingebracht hat, zurückzuholen. Während der Rekapitulation wird dem Magier bewusst, dass viele seiner gewöhnlichen Handlungen aus der Energie anderer Menschen heraus entstanden sind. Er befreit diese Energien und verändert mit der Rekapitulation sein gewöhnliches Tun zum Nicht-Tun. Dies ist ein freies makelloses Handeln, losgelöst von energetischen Verflechtungen und psychischen Blockaden. Mit dem Nicht-Tun vergrößert der Magier seine persönliche Energie. Er ist losgelöst von eingrenzenden weltlichen Beschreibungen und in der Lage zu außergewöhnlichen Handlungen. © Marius E. Hannig |